Aktualisiert von Marco am 2. Juli 2024
Veröffentlicht von Petra am 4. Juli 2018
Tatsächlich ist es ein klischeehaft warmer Sommerabend, als ich Max Winter vor dem alten Finanzamt in Neukölln treffe, um dieses Interview in seinem Studio zu führen. Doch wir sind beide hungrig und so laufen wir erst ein wenig durch Neukölln, auf der Suche nach etwas zu Essen.
Max ist zur Hälfte freier und zur anderen Hälfte festangestellter Grafikdesigner. Bei Gruner + Jahr kümmert er sich um das Capital Magazin. Als Freelancer ist er als Art Director für diverse Magazine wie das 30 Grad Magazin von Mühle zuständig.
Hallo Max, lass uns gleich einsteigen, ja?
Max: Ich bin bereit, schieß los.
Was bedeutet Schlafoptimierung? Meinst Du das ist was gutes, meinst Du das ist Quatsch?
Max: Ich hab da so noch nicht wirklich drüber nachgedacht. Das kann glaube ich ganz viel bedeuten. Dass Du eine gute Matratze hast, oder Dein Laptop nicht mehr mit ins Schlafzimmer nimmst. Ich glaube, kurz vor dem Einschlafen einfach nicht mehr erreichbar zu sein, ist zum Beispiel eine gute Idee. Aber ich hab’s ehrlich gesagt noch nicht geschafft bisher (lacht).
Du hängst also auch im Bett am Rechner? Arbeitest Du dann oder machst Du Quatsch?
Max: Manchmal, wenn ich Homeoffice mache, mach’ ich auch Bettoffice. Dann lieg ich so mit halb-schrägem Rücken an der Wand und hau in die Tasten. Oder manchmal am Wochenende, wenn ich so döse und noch was kleines machen muss, mach ich das auch gern im Bett. Ich schlafe tatsächlich gerne mit meinem Laptop ein, vor allem wenn ich einen stressigen Tag hatte. Ich arbeite meistens sehr lang und wenn ich dann erst um 12 aus dem Büro komme, soll es das noch nicht für mich gewesen sein. Dann gönn ich mir im Bett ein bisschen Netflix, um einfach unterhalten zu werden. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, habe ich glaube ich ein wirklich schlechtes Schlafverhalten…
Hast Du denn neben Netflix weitere, immer wiederkehrende Rituale vor dem Zubettgehen?
Max: Ich hab vor einiger Zeit wieder angefangen, Hörbücher zu hören und das hat sehr beim Einschlafen geholfen. Ich stell den Ton dann extra leise, um nicht richtig zuhören zu können und das beruhigt mich dann. Zu Stuckrad-Barre penn ich weg nach fünf Minuten (lacht). Jetzt gerade hänge ich aber wieder auf Scrubs. Weil das alles bedient, Komik und Tragik, liege ich aber irgendwie lange wach.
Wir sind inzwischen auf den Bierbänken vor einer Burger-Bude gelandet. Da das Bier vor dem Essen kommt, lockert sich die Stimmung.
Wenn Du nicht vom Bett aus arbeitest, hast Du ja auch real mit Menschen zu tun. Bist Du ein Freund des Teamwork?
Max: Kommt aufs Team an (lacht). Nein, vor allem die Arbeit mit einem Team, das ständig alles in Frage stellt, hat am Ende immer die besten Resultate gebracht. Letztes Jahr zum Beispiel habe ich mit zwei Kollegen die DUMMY gestaltet und da haben wir im Team gearbeitet. Die Idee war, so frei es geht zu arbeiten und ein bisschen auf die Kacke zu hauen. Wir wollten einfach wenig Kompromisse eingehen in der Gestaltung. Aber dann hat Oliver Gehrs, der Herausgeber der DUMMY zurecht gemeint, dass es jedem gefallen muss – nicht bloß Grafiknerds, sondern auch dem 56-jährigen Mechatroniker. Damit hat er uns natürlich erstmal sehr gebremst, aber im Endeffekt bin ich sehr happy damit, weil wir am Ende ein Magazin für viele Leute geschaffen haben und nicht nur für einen engen Kreis, der es verstanden hätte. Das hat gezeigt, dass Teamwork auch mal weh tun muss, damit am Ende was gutes dabei herauskommt.
Das klingt ja nach der klassischen Aufteilung “Auftraggeber vs. Dienstleister”. Siehst Du Dich manchmal auch als Künstler?
Max: Ich sehe mich deutlich in der Dienstleisterposition. Was erstmal klingt wie eine Einschränkung in der Entfaltung, ist für mich eher eine Bereicherung. Indem ich mich nämlich als Dienstleister sehe, habe ich eine professionelle Distanz zu dem Projekt und kann so besser überlegen, für welche Zielgruppe ich etwas tue. Ich versuche zum Beispiel, neue Ästhetiken einzuführen. Aber ich will das nicht radikal durchsetzen und damit Leute verprellen, sondern vorsichtig abtasten, inwieweit Zielgruppe und Auftraggeber bereit sind, Experimente zuzulassen. Da beißt man naturgemäß öfter mal auf Granit, aber dann muss man überzeugen.
Kannst Du mental gut abschalten?
Max: Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Vor allem durch mein geteiltes Arbeitsverhältnis komme ich oft abends nach Hause und überlege, was ich eventuell für den nächsten Tag schon vorarbeiten kann. Aber ich habe mich schon gebessert. Als ich zum Beispiel noch studiert habe und nebenbei schon gearbeitet habe, da habe ich sehr wenig geschlafen und einfach immer noch Kleinigkeiten erledigt. Da ging das auch noch besser, ehrlich gesagt. Aktuell nutze ich viele Apps und Tools, um meine Zeit besser einteilen zu können, damit ich auch bewusst abschalten kann.
Träumst Du manchmal von der Arbeit?
Max: Wenn ich echt viel arbeite – und mein Haupt-Tool ist ja nun mal InDesign – dann träume ich tatsächlich davon, wie ich in InDesign was baue. Das sind dann manchmal auch schöne Bilder, vom Meer und wovon man sonst so träumt, aber eben im Raster von InDesign.
Aber wenn Du sagst, dass Du öfter mit Hörbüchern oder Serien einschläfst, dürfte das eher die Seltenheit sein, oder? Man sagt ja, dass dadurch der Tag nicht richtig verarbeitet wird und so die Träume ausbleiben.
Max: Oh, ich glaube ich mach das nicht bewusst, um den Tag zu verdrängen. Aber man liegt dann abends im Bett und hat noch all diese ganzen To Do’s im Kopf und wenn dann die Gedanken von einem Punkt zum nächsten hüpfen und man kriegt vielleicht sogar noch eine neue Idee, dann ist das mit dem Abschalten manchmal ein bisschen schwierig. Und wenn ich mich dann auf eine leichte Serie konzentrieren kann, schlafe ich einfach schneller ein. Was ich auch mal ausprobiert habe, ist so ein Nerventee, der einen die Gedanken irgendwie besser hat ordnen lassen. Auch wenn das nur Placebo war, ich hatte das Gefühl, es funktioniert wirklich!
Wirst Du nach unserem Gespräch mal ein paar Tools oder Techniken ausprobieren, um Deinen Schlaf zu optimieren?
Max: Ich habe mal von einer Lampe gehört, die einen mit Tageslicht weckt. Die soll langsam immer heller werden und dann wirkt das so, als würde der Tag anbrechen. Gerade im Winter soll das toll sein. Sowas würde ich schon mal ausprobieren wollen. Ansonsten habe ich mal eine Zeit lang meinen Radiowecker auf eine Zwischenfrequenz gestellt, sodass ich ein ständiges White Noise zum Aufwachen hatte. Den hab ich dann aber irgendwann auf einen Klassik-Radiosender umgestellt, um sanft geweckt zu werden. Vielleicht mache ich das mal wieder… Aber allgemein glaube ich, dass man mit seinem Schlaf nur rumexperimentieren sollte, wenn man wirklich ein Problem hat. Wenn ich schlecht einschlafen könnte, oder morgens wie gerädert aufwachen würde, dann würde ich mir bestimmt auch mehr Gedanken dazu machen.
Plötzlich klingelt sein Handy. Unwillkürlich muss ich auf das Display schielen.
Klasse, jetzt klingelt Dein Wecker. So spät stehst Du also normalerweise erst auf? Es ist ja erst 19:30 Uhr!
Max: Das ist die Erinnerung für mein Nachtinsulin.
Oh, bist Du Diabetiker? Dann hast Du da auch einen festen Ritus, wie es aussieht.
Max: Ja, auf jeden Fall. Um acht nehme ich mein Nachtinsulin und sollte auch nicht zu spät essen, damit sich mein Blutzuckerspiegel einpegelt. Das führt dann manchmal dazu, dass ich lange wach liege, wenn ich erst sehr spät gegessen habe und dann spät mein Insulin spritze. Manchmal wirkt das dann bis nachts um zwei und dann muss ich schon darauf achten, ob ich zu viel oder zu wenig gespritzt habe – gerade wenn ich essen gehe und die Kohlenhydrate schätzen muss. Die Gedanken daran halten mich schon öfters mal wach.
Wir machen uns langsam auf, um in seinem Studio noch ein paar Bilder zu schießen.
Glaubst Du, dass Du mit wenig Schlaf auskommst und eher Druck brauchst, um produktiv zu arbeiten?
Max: Bis vor Kurzem hätte ich gesagt, dass ich Druck brauche, habe aber gemerkt, dass zu viel Druck einfach nicht gut ist. Ab und an muss ich einfach mal alles stehen und liegen lassen, um den Kopf freizubekommen. Ich habe auch angefangen mit Joggen, das ist ein gutes Ventil. Aber Druck hilft mir auch gute Entscheidungen zu fällen, die sonst vielleicht verwässern, wenn ich für ein Projekt zu viel Zeit habe.
Wir sind jetzt im Studio von Max. Hier ist alles klar und hell. Die Jungs sind erst vor wenigen Monaten eingezogen und arbeiten an zwei Schreibtischen an vielen Projekten gleichzeitig.
Unsere Generation ist die erste, die nachweislich nicht mehr verdienen wird als die vorangegangene Generation. Meinst Du das hat alles nur mit den gleichbleibenden Löhnen zu tun, oder ist unsere Generation vielleicht auch mehr darauf bedacht, eine geregelte Work-Life-Balance hinzubekommen?
Max: In dem Umfeld, in dem ich mich persönlich bewege, sehen die meisten in ihrer Arbeit ihre Lebensaufgabe. Und wenn man die Preise, zum Beispiel für Reisen, immer weiter runter gehen, dann entsteht schnell die Situation, dass man zwar nicht viel auf die Seite legen kann, aber schon sehr früh viel von der Welt gesehen haben kann. Und das alles mit einer Arbeit, die einen nicht quält, sondern erfüllt. In finanziellen Angelegenheiten mache ich mir aber auch keine Sorgen. Ich habe das Gefühl, dass sich viele Menschen unserer Generation sich selber stressen. Neulich habe ich eine Jobanfrage bekommen und in dem beigefügten Kalender war ganz selbstverständlich, dass auch die Samstage und manche Sonntage mit Terminen belegt sind. Das finde ich krass, vor allem weil es ja jeder mitmacht! Ich selber hatte in der ersten Hälfte des Jahres auch erst fünf, sechs Wochenenden, an denen ich kein Stück gearbeitet habe. Dafür fahr ich dann aber auch mal montags an den See, statt zu arbeiten. Das muss sich dann wenigstens ein bisschen ausgleichen.
An dieser Dauerbelastung ist bestimmt auch die Identifikation mit Deiner Arbeit schuld, oder? Wenn Du Deine Arbeit nicht so lieben würdest, könntest Du bestimmt auch von Montag bis Freitag normale Stunden arbeiten…
Max: Definitiv, aber die Ziele sind eben auch andere. Ich freue mich über das, was ich mir leisten kann. Meine Ziele sind einfach kleiner und kurzfristiger und dadurch realistischer. Auch wenn ich dafür manchmal am Samstag arbeiten muss. Da ist dann alles dabei – von McDonald’s bis Gängemenü. Für solche kleinen Dinge verdiene ich gerne mein Geld, glaube ich. Materielles ist eigentlich nicht dabei. Ich fahre zum Beispiel immer LIDL-Bike.
Dann wünsche ich gute Fahrt und guten Appetit! Vielen Dank, dass Du Zeit für uns gefunden hast.
Max: Sehr gerne. Good bye.
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Fotos: Johannes Weber (Snooze Project)