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Aktualisiert von Marco am 24. August 2023
Veröffentlicht von Martin am 11. Mai 2021
Kinder sind wundervoll − bloß ihr ganz spezieller Schlaf-Wach-Rhythmus kann ganz schön an den Kräften zehren! Für alle frischgebackenen Eltern mit tiefen Ringen unter den Augen gibt es jetzt Bestätigung aus der Wissenschaft: Eine britische Studie belegt, dass Paare mit Nachwuchs in Wahrheit bedeutend stärker und länger unter Schlafmangel leiden als bislang vermutet. Snooze Project erläutert die Hintergründe − und ermutigt zu mehr Gelassenheit.
Frischgebackene Eltern: Schlafstörungen für mindestens 6 Jahre
Das Statistische Bundesamt hat berechnet: Bis zu seinem 18. Lebensjahr geben Eltern durchschnittlich rund 130.000 Euro pro Kind aus. Dass Nachwuchs nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Schlafdauer beeinflusst, ist ebenfalls bekannt. Doch unlängst haben Wissenschaftler der Universität Warwick anhand deutscher Daten erstmals genauer analysiert, wie stark − und wie lange − der Schlaf frischgebackener Eltern tatsächlich beeinträchtigt wird. Die Ergebnisse sind besorgniserregend und geben Anlass zum Umdenken.
Wer Kinder hat, kennt das zur Genüge: Baby schlafen legen, selbst hinlegen, ein Stündchen schlafen, durch Geräusche geweckt werden, aufstehen, Baby füttern, wieder hinlegen, eindösen, erneut aus dem Schlaf gerissen werden, sich mit dem*der Partner*in streiten, wer sich diesmal aufrafft und ans Bettchen schleppt… Die britische Studie belegt jedoch, dass die Tortur unerwartet lange anhält: Nach der Geburt des ersten Kindes können demnach sechs Jahre vergehen, ehe sich der Elternschlaf wieder halbwegs normalisiert.
Häufige Fragen zur Studie
Im Rahmen der Untersuchung haben Forscher der Warwick University Angaben von 2 541 Müttern und 2 118 Vätern ausgewertet, die am sogenannten sozio-oekonomischen Panel (SOEP) teilgenommen haben. Betrachtet wurde der Zeitraum zwischen den Jahren 2008 und 2015.
Bei diesem Panel handelt es sich um eine repräsentative, alljährlich wiederholte Langzeitbefragung deutscher Privathaushalte, die seit 1984 im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin durchgeführt wird. Neben zahlreichen anderen Themen werden die Teilnehmer auch zu ihrer Schlafdauer und -zufriedenheit interviewt.
Weitere Informationen findest Du unter diesem Link.
So unterschiedlich schlafen Mütter & Väter
Wie aus den Ergebnissen hervorgeht, leiden Eltern vor allem während der ersten drei Monate nach der Geburt an einem deutlichen Schlafdefizit: Während dieses Zeitraums verkürzt sich die Schlafdauer der Väter in Deutschland demnach um durchschnittlich 13 Minuten − und Mütter schlafen sogar jede Nacht eine gute Stunde weniger als vor ihrer Schwangerschaft.
Mit der Schlafdauer wird innerhalb der ersten drei Monate nach Babys Geburt auch die gefühlte Schlafqualität stark reduziert: Bei den Frauen sank die Schlafzufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn um durchschnittlich 1,8 Punkte − unter den befragten Männern ging sie immerhin noch um etwa 0,4 Punkte zurück, doch von Gleichberechtigung kann in puncto Elternschlaf dennoch kaum die Rede sein.
Umso überraschter waren die Forscher darüber, dass durchaus beide Geschlechter deutlich länger unter Schlafmangel leiden als zu Beginn vermutet: Frauen wie Männer schlafen nachts selbst nach Ablauf von sechs Jahren noch nicht wieder so lange und zufriedenstellend wie vor der Geburt des Kindes. Auch, wenn nächtliche Störungen mit der Zeit seltener werden, kann das Schlafdefizit − wenn auch in geringerem Ausmaß − durchaus bis zur Einschulung des Nachwuchses anhalten: Vor allem Mütter schlafen selbst dann noch rund 20 Minuten kürzer als zuvor.
Erstlingseltern stärker betroffen − Hausbesitzer*innen im Vorteil
Untermauern konnten die ausgewerteten Daten die volkstümliche Annahme, dass Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes am stärksten von Schlafmangel betroffen sind: Übung macht eben den Meister bzw. die Meisterin, sodass sich die Gelassenheit gegenüber später nachfolgenden Geschwisterkindern während deren Kleinkindphase tatsächlich in einer messbar geringeren Beeinträchtigung des Elternschlafs ausdrückt. Dass Paare mit jedem weiteren Kind mehr Routine und Sicherheit gewinnen und seltener aus dem Schlaf hochschrecken als noch beim ersten Neugeborenen, macht Mut.
Elternratgeber verweisen gern auf den Zusammenhang zwischen „unproblematischem“ Babyschlaf und einem harmonischen Zuhause in geordneten Verhältnissen − augenscheinlich völlig zu Unrecht, wie die Forschergruppe nachweisen konnte. „Ob reich oder arm, alleinerziehend oder als Paar und unabhängig von vielen weiteren Faktoren: Eltern scheinen gleichermaßen unter Schlafdefiziten zu leiden“, so David Richter vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DiW).
Statistisch belegen konnten die Wissenschaftler lediglich, dass die Hausbesitzer unter den Elternpaaren tatsächlich etwas länger und besser schlafen. Zurückzuführen ist dieser Vorteil vermutlich auf die großzügigeren Raumverhältnisse: In Häusern besteht z. B. eher die Möglichkeit zur Einrichtung eines separaten Kinderzimmers als etwa in einer beengten Mietwohnung − und damit auch die Gelegenheit für mehr akustischen Abstand zum Kinderbett.
Frauen noch immer extrem benachteiligt
Allen Gleichstellungs-Forderungen zum Trotz sind Frauen von den beschriebenen Schlafstörungen deutlich stärker betroffen. Nach Meinung des an der Studie beteiligten Entwicklungspsychologen Sakari Lemola liegt dies vor allem daran, dass die wichtigste Bezugsperson für Kinder noch immer häufiger die Mutter als der Vater ist. In den ersten sechs Monaten besteht bei stillenden Müttern zudem ein größeres Schlafdefizit als bei jenen, die ihren Kindern ausschließlich Fläschchen geben.
Inwiefern bei den betroffenen Frauen auch körperliche Nachwirkungen der Schwangerschaft eine Rolle spielen könnten, wurde im Rahmen dieser Studie zwar nicht näher untersucht, doch Hormonschwankungen oder noch andauernde Heilungsprozesse könnten gerade während der ersten Lebensmonate des Babys ebenfalls für die große Diskrepanz zwischen Mütter- und Väterschlaf verantwortlich sein.
Bei einem Großteil der heterosexuellen Elternpaare verdient der Mann auch heute noch mehr als die Frau. Da deshalb noch immer nur die wenigsten Väter in Deutschland ihren Anspruch auf Elternzeit geltend machen, bleibt die nächtliche Betreuung des Nachwuchses im Alltag meist an Mama hängen: Wenn Papa am Morgen rechtzeitig zur Arbeit muss, hat er nachts gute Argumente dafür, seinen Schlaf nicht ständig unterbrechen zu wollen. Derartige Konstellationen könnten also ebenfalls mit ursächlich für die stärkeren Schlafstörungen bei den Frauen sein.
Mütter schlafen anders
Den Studienergebnissen zufolge erscheinen Frauen gegenüber Männern auf den ersten Blick stark benachteiligt − doch die Natur hat zumindest teilweise vorgesorgt: So sind Mütter nach heutigem Wissensstand dazu in der Lage, ihr Schlafdefizit durch tieferen, intensiveren Schlaf zu kompensieren. Was zunächst wie ein Kalauer klingt, scheint ihnen tatsächlich zu gelingen: Frauen schlafen sozusagen schneller als die Männer.
Dass Mütter trotz Müdigkeit wach werden, sobald sich ihr Kind während der Nacht bemerkbar macht, ist schon lange belegt − früher sprach man in diesem Zusammenhang sogar vom Ammenschlaf. Erwiesen ist inzwischen aber auch, dass sie dafür nach jeder Schlafunterbrechung rascher wieder einschlafen als Väter in vergleichbaren Situationen. Diese besonderen „Superkräfte“ entwickeln Mütter durch hormonelle Veränderungen, die bereits während der Schwangerschaft stattfinden.
Schlafprobleme summieren sich − mit fatalen Folgen
Was früher für die meisten Eltern locker zu verkraften war, kann im Zeitalter der Globalisierung ernsthafte Probleme mit sich bringen: Zu den heute weit verbreiteten Schlafstörungen aufgrund von Stress und beruflicher Überforderung kann nun noch ein weiterer, bislang kaum beachteter Typ von Schlafproblemen hinzugezählt werden. In Kombination könnte das zusätzliche Schlafdefizit frischgebackener Eltern bereits vorhandene Schlafprobleme in besorgniserregender Weise verstärken.
Schlafstörungen werden nach aktuellem medizinischem Kenntnisstand für eine Vielzahl ernsthafter Gesundheitsprobleme wie Herz-Kreislauf- oder Stoffwechsel-Erkrankungen verantwortlich gemacht. Damit könnte der Mangel an familienpolitischen Konzepten zur Entlastung berufstätiger Eltern aufgrund der körperlichen Langzeitfolgen ihres gestörten Nachtschlafs indirekt sogar zur Erhöhung der Gesundheitskosten in Deutschland beitragen.
Noch immer wenig Unterstützung
Außer Acht gelassen wird häufig auch, dass sich Dauermüdigkeit und Gereiztheit negativ auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kleinkind auswirken können. Präventions-Maßnahmen, wie sie in einigen skandinavischen Ländern seit etlichen Jahren erfolgreich angewendet werden, fehlen bei uns in Deutschland größtenteils − und das, obwohl sie nicht nur segensreich für die Betroffenen sind, sondern auf lange Sicht auch nachweislich zur Kostensenkung im sozialen Bereich beitragen.
Gezielte Elternkurse, eine umfassende nachgeburtliche Langzeit-Betreuung durch Hebammen, modernere und lebensnähere Elternzeit-Konzepte, die flexiblere Nutzung von Arbeitszeitkonten etc. könnten die Gleichberechtigung von Müttern und Vätern fördern, und Elternpaare auch über den verbesserten Nachtschlaf hinaus insgesamt stärker unterstützen. Was frischgebackenen Vätern und Müttern bis dahin bleibt, ist Babys grenzenlose Zuneigung.
Elterlicher Schlafmangel: Experten-Tipps zur Selbsthilfe
Solange bessere Lösungen auf sich warten lassen, müssen junge Eltern hierzulande wohl oder übel mit ihrem Schlafdefizit leben. Die gute Nachricht lautet: Aus Sicht von Schlafforschern besteht kein allzu großer Anlass zur Sorge, da die meisten Mütter und Väter von Kleinkindern noch relativ jung und gesundheitlich fit sind. Längerfristig sollten sie aber versuchen, täglich auf ausreichend Schlaf zu kommen − doch wie stellt man das konkret an?
Hilfreich kann es sein, sich im Alltag Nischen zu schaffen, um den nachts verpassten Schlaf tagsüber nachzuholen. Der klassische Mittagsschlaf − idealerweise gleichzeitig mit dem satten und frisch gewickelten Kind − erfüllt diese Funktion genauso wie ein Powernapping während der Mittagspause im Büro. Wesentlich ist, dass der Schlaf erholsam genug ist: Ein ruhiger Rückzugsraum wirkt entspannend, doch auch der Körper selbst intensiviert seine Regeneration in derartigen Belastungszeiten durch verlängerte Tiefschlaf-Phasen.
In ihrem Bestreben, alles richtig zu machen, überfordern sich Mütter und Väter häufig auch selbst. Bei anderen Eltern scheint schließlich alles reibungslos zu klappen, während man sich selbst allnächtlich nicht nur am Rande des Kinderbettchens, sondern auch des Wahnsinns wiederfindet. Statt allzu viel auf Erziehungs-Ratgeber und Baby-Blogs zu geben, kann mehr Mut zur Lücke förderlich sein: Mantras wie Ich verzeihe mir selbst oder Liebe muss nicht perfekt sein stärken die Gelassenheit − und diese überträgt sich oft erstaunlich schnell auf den Nachwuchs.
Frühzeitig Hilfe annehmen
Das Nervenkostüm wird immer dünner und jede Nacht zum Albtraum? Dann sollten Betroffene nicht lange fackeln und sich Unterstützung suchen. So können Verwandte und Freundeskreis Haushaltsaufgaben oder Einkäufe erledigen, um überforderten Eltern vor allem während der ersten Monate mehr Zeit zum Ausruhen zu verschaffen. Zudem ist selbst bei kleineren Kindern stundenweises Babysitting durch vertraute Personen möglich, das vor allem den Müttern entlastende Auszeiten ermöglicht.
Bei Eltern sogenannter Schreikinder, die sich über viele Stunden hinweg kaum beruhigen lassen, ist die Erschöpfung oft besonders groß: Viele machen sich Vorwürfe und geben sich selbst die Schuld, obwohl die Ursachen exzessiven Schreiens im Säuglingsalter vielfältig und noch immer nicht vollständig geklärt sind. Betroffene Mütter und Väter sollten nicht zögern, sich an fachkundige Kinderärzt*innen oder eine professionelle Schreiambulanz zu wenden.
FAQ
Im Rahmen der Untersuchung haben Forscher der Warwick University Angaben von 2 541 Müttern und 2 118 Vätern ausgewertet, die am sogenannten sozio-oekonomischen Panel (SOEP) teilgenommen haben. Betrachtet wurde der Zeitraum zwischen den Jahren 2008 und 2015.
Bei diesem Panel handelt es sich um eine repräsentative, alljährlich wiederholte Langzeitbefragung deutscher Privathaushalte, die seit 1984 im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin durchgeführt wird. Neben zahlreichen anderen Themen werden die Teilnehmer auch zu ihrer Schlafdauer und -zufriedenheit interviewt.
Nach Ansicht von Schlafexperten nein, solange sie den fehlenden Schlaf tagsüber nachholen können bzw insofern das Schlafdefizit nicht langfristig besteht.
Hierauf liefert die britische Studie keine abschließende Antwort. Nach den ersten 6 Jahren ab Geburt des Kindes erreichen Schlafdauer und -zufriedenheit jedenfalls noch immer nicht ganz die ursprünglichen Ausgangswerte.
Ein möglichst großes Netzwerk aus Familie, Nachbarn, Freunden, Bekannten und anderen Alleinerziehenden sorgt im Alltag für Entlastung. Über Hilfsangebote von staatlichen Stellen, Verbänden und Stiftungen informieren z. B. der Verband alleinerziehender Mütter und Väter oder das Bundesfamilienministerium.